1. Zazen ist
- das sich selbst verwirklichende Nirvana (Frieden und Freude)
- die Vollendung des Daseins und des Lebens
- die vollkommene Verwirklichung der Würde der menschlichen Existenz
- in ewiger Gegenwart, im Hier und Jetzt mit allen Wesen und Lebewesen in dieser Welt.
Praxis-Prinzipien
Um Zazen zu praktizieren, sollen folgende drei Aspekte beachtet und geübt werden:
- den Körper ordnen
- den Atem ordnen
- den Geist ordnen
Den Körper ordnen
Sich weder nach links noch nach rechts neigen, das Rückgrad aufrecht, die Schultern entspannt, mit dem Kopf nicht nach vorne und nicht nach hinten kippen. Wenn möglich soll der Lotussitz (halber oder voller) eingenommen werden.
Für den halben Lotussitz wird ein Fuß auf einen Oberschenkel gelegt. Beim vollen Lotussitz werden beide Füße auf die beiden Oberschenkel gelegt. Die Hände vor den Bauch, wenn möglich auf den Fußsohlen legen und in Ovalform halten. Die zwei Daumen berühren sich leicht, die Augen sind leicht geöffnet. Gelöst und natürlich nach unten blicken. Dabei ist das Bewußtsein nach innen gerichtet.
Den Atem ordnen
Beim Sitzen der Ein- und Ausatmung gewahr sein. Loslassen. Den Atem durch Zählen der Atemzüge ruhiger werden lassen. Alles Wollen loslassen.
Der Atem geht tief in den Bauch und kommt aus dem Bauch, weder lang noch kurz. Natürlicher, harmonisierter Atem beim Sitzen ist die Basis zum Frieden des Körpers und des Geistes.
Den Geist ordnen
Den Geist zu ordnen bedeutet, den mentalen geistigen Zustand in unser »Herz-Geist« zu integrieren.
Um diesen Geist zu ordnen wird in der Zen-Tradition und der Mahayana-Lehre (Herz-Sutra) durch Ausübung des »Nicht-Denkens« das »Nicht-Erwerben« und das »Nicht-Erleuchten« praktiziert. Das bedeutet, Emotionen und Gedanken niemals zu verdrängen.
Shinjin-mei, Ur-Zentext – China im 6. Jahrhundert:
»Der höchste Weg ist gar nicht schwer
Nur abhold wählerischer Wahl.
Dort wo man weder haßt noch liebt
Ist Klarheit, offen, wolkenlos.«
Übersetzung von Wilhelm Gundert
Lehre Dogen Zenjis – Japan im 13. Jahrhundert:
»Das Sitzen selbst ist das Tun des Buddha. Das Sitzen selbst ist Nicht-Tun. Es ist genau die wahre Gestalt des Selbst. Darüber hinaus gibt es nichts, was als Buddha-Dharma zu suchen wäre.« Shobogenzo Zuimonki
»Der volle Lotussitz (kekka-fuza) transzendiert das ganze Universum unmittelbar und ist so das würdige Verweilen im Haus der Buddhas und Dharmavorfahren.«
Shobogenzo, Kapitel Zanmai-O-Zanmai
»Dies Leben und Tod (shoji) ist Buddhas würdiges Leben. Wer es verabscheut und wegwerfen möchte, der wird Buddhas würdiges Leben bestimmt verlieren. Wer aber darin stehen und im Leben und Tod (shoji) verhaftet bleibt, auch der verliert Buddhas würdiges Leben und löscht Buddhas Gestalt aus. Erst wenn man (shoji) nicht verabscheut und sich nicht (mehr nach Nirvana) sehnt, ist man in Buddhas Herz. Miß nicht mit dem (eigenen Herzen), sage nichts mit Worten.
Wer sowohl seinen Leib, wie auch sein Herz losläßt und vergißt, sich in Buddhas Haus hineinwirft, von Buddha geführt wird und diesem immer folgt, der läßt Leben und Tod (shoji) los und wird Buddha, ohne Mühe anzuwenden und ohne sein Herz zu verschwenden. Wer sollte dann in seinem Herzen ins Stocken kommen?«
Shobogenzo, Kapitel Shoji, Übers. von Ryosuke Ohashi und Rolf Elberfeld.
Fumon S. Nakagawa Roshi:
»Zazen in diesem Sinn ist nichts anderes als die Verwirklichung der Würde des Da-Seins mit allen gemeinsam in diesem Universum.
Im Hier und Jetzt würdig sein in diesem Leben, mit allen gemeinsam – dies wird praktiziert und zum Ausdruck gebracht in Form des Zazen. Deshalb ist Zazen die echte Heimat für alle. Frieden und Freude sind der endgültige Sinn dieses Lebens in dieser Welt. Aus dieser Grundwurzel der menschlichen Existenz bekommt alles Tun und Nicht-Tun der Menschen vollkommenen Sinn. Durch Verwirklichung der Würde und des Sinns der eigenen Existenz offenbart auch die ganze Welt den endgültigen Sinn und die endgültige Orientierung zum Leben: Frieden und Liebe hier und jetzt spüren, sie bewahren und sie zum Ausdruck bringen.«
2. Die Essenz des Zen
Leben ist Geborenwerden, Wachsen, Arbeiten, Spielen, Ruhen, Alter, Krankheit, Sterben – und alles andere. Das Leben in dieser Welt ist eine Schule der Seele. Zen ist Leben. Daher ist Zen beziehungsweise Zazen, das »Sitzen in Versenkung«, kein Mittel, um etwas von uns Gewünschtes zu erreichen. Es ist vielmehr eine Vergegenwärtigung der Wirklichkeit des eigenen Lebens und der gesamten Welt. Insofern ist Zen keine Religion im herkömmlichen Sinne; und dennoch ist es tief erlebte religiöse Praxis. Zazen ist das Wachwerden dafür, dass diese Welt mit all ihren Problemen in uns selbst existiert und dass wir zugleich immer im Universum des ewigen Friedens leben. Dieses Aufwachen ist nichts anderes als das Licht in uns selbst, mit dem wir unseren eigenen Lebensweg im Licht des Friedens sehen können.
Wir kennen diese Bilder, die die Astronauten vom Mond aus gemacht haben: Unsere Erde als blau leuchtender Planet im Dunkel des Universums. Da irgendwo sitzen wir, führen gerade irgendwelche Kriege um irgendwelche Landstriche, laufen unseren Begierden nach und bemühen uns angestrengt darum, noch mehr von allem zu bekommen, zerstören dabei Planeten Stück um Stück. Aus dieser Distanz, vom Mond aus gesehen, wirkt das alles ziemlich lächerlich, und sehr traurig zugleich. Dieser globale, tiefe und klare Blick vom Mond aus – dies ist das erwachte Auge des Buddhas. Mit diesem Auge, voller Mitgefühl und Weisheit, sich selbst und die Welt erkennen: das ist die Praxis des Zazen. Dafür brauchen wir kein Raumschiff. Es genügt ein Sitzplatz von einem Quadratmeter auf dieser Erde, im Hier und Jetzt.
Sinngemäß aus: »Zen weil wir Menschen sind«, Fumon S. Nakagawa Roshi